Tarifa – Die Zeitmaschine

Die Zeitmaschine
Es ist erstaunlich wie die Zeit vergeht und was man so alles auf den Festplatten findet. Heute Morgen bin ich tatsächlich über einen Artikel von mir aus dem Jahr 2002 gestolpert, welchen ich damals über Tarifa geschrieben habe. 

Zu dieser Zeit habe ich mich dann auch entschieden in Tarifa leben zu wollen und ich kann mich noch an die Postkarten erinnern auf welchen ich meinen Entschluss an meine Freunde in Deutschland herausposaunte. Es gab tatsächlich mal eine Zeit der Postkarten.

Mittlerweile sind 18 Jahre vergangen und ich kann mir ein Leben ausserhalb von Andalusien nicht mehr vorstellen. Es muss nicht mehr Tarifa sein. Deshalb lebe ich ja auch in Chiclana und konzentriere mich in dieser unspektakulären Stadt auf andere Dinge.

Tarifa war eine Achterbahnfahrt von Anfang an und das oben und unten wechselte manchmal täglich und eine Geschichte jagte die andere. Ich könnte Bücher damit füllen.

Aber gut. Dieser Artikel erschien damals auf der Webseite von Haempelfilm.

Tarifa 2002 – Eine Reise in der Zeitmaschine

Im südlichsten Zipfel des europäischen Festlandes liegt Tarifa. Von dort aus lassen sich bei klarer Sicht die Straßenlaternen in Marokko erahnen. Schwere und große Schiffe passieren die Meerenge und belegen den regen Handel auf dieser alten Wasserstraße.

An der Stadtspitze Tarifas treffen sich dann auch Mittelmeer und Atlantik. Mit nur 13 Kilometer Entfernung ist Afrika nirgends näher an Europa als hier. Viele meinen, Gibraltar sei der äußerste Zipfel Europas, aber dieser liegt 30 km nord-östlicher und ist – very britisch – und somit weiter weg.
Tarifa selbst ist eine alte andalusische Stadt, deren Wurzeln bis ins römische Reich zurück reichen. In Bolonia, 15 km weiter, zeugt die eindrucksvolle römische Anlage „Baelo Claudia“ von 2000 Jahre alter Besiedlung. Mitten in Tarifa deuten die alten maurischen Befestigungen auf die strategisch wichtige Bedeutung der Stadt. Am Stadttor selbst weißt eine große Tafel auf die Zurückschlagung der Mauren im Jahre 1492 hin.

Heute machen das friedliche Gemisch von trendigem Lifestyle, Aussteigertum, Tourismus und der immer freundlichen Bevölkerung das Leben in Tarifa lebenswert. Eine Stunde im Cafe Central, einem der wichtigen Anlaufpunkte in der Altstadt, lässt erahnen wer hier so im laufe des Jahres aufeinander treffen kann; dabei ist der gegenseitige Respekt und die große Toleranz auch denen gegenüber, die nicht zu den Glückbehaftetsten gehören, immer zu bemerken. Unter anderem trifft man hier noch die längst ausgestorben geglaubte Hippie-Kultur – oder das, was davon übrig geblieben ist. Rucksacktouristen jeglichen Alters durchstreifen Tarifa um zu bleiben oder in Richtung Marokko weiter zu ziehen, aber auch die aufgemotzten Autos mit der dumpfen Tecno Mucke aus Malaga prägen meist am Wochenende das mit kleinen Strassen und Gassen durchzogene Stadtbild. Manchmal – aus der Kirche kommend – ziehen große traditionelle Hochzeits-Gesellschaften, die das gesamte Straßenleben vereinnahmen, die Aufmerksamkeit auf sich.

Letztendlich sorgt dieses Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Menschen in der 13.000 Einwohner zählenden Stadt für diese nette, ganz und gar nicht provinzialische Atmosphäre. Jeder fühlt sich hier vom ersten Augenblick an wohl und zu Hause und wer denkt, dass er hier in aller ruhe Spanisch lernt, wird wohlmöglich in dem Sprachwirrwarr nicht sonderlich weiter kommen.
Das Umland Tarifas ist stellenweise Militärisches Sperrgebiet, wie z. B. neben und hinter der Düne und auch auf der Insel an der Landspitze in Tarifa. Auffällig ist die starke Präsenz der Guardia Civil, die hier wegen der „Flüchtlinge“ ständig wahrzunehmen ist. Seit Inkrafttreten des Schengener Abkommens 1990 ist hier eine wichtige Außengrenze der EU entstanden. Die greif- und sichtbare Nähe zu Europa spricht für sich. Nichts desto trotz ertrinken jährlich unzählige Menschen beim Versuch diese technisch und personell immer besser bewachte Grenze zu überwinden. Den unzähligen Wind- und Kite-Surfern bleiben die sich – meist nächtlich – abspielenden Tragödien in der Regel vorenthalten. Manchmal bewegen sich die zurückgelassenen Schlauchbootfetzen am nächsten Tag in der Brandung. Unzählige Windräder an den seichten Hängen rund um Tarifa kreisen durch den heftigen und stetigen Wind. „Windhauptstadt Europas“ wird Tarifa denn auch genannt und gerade deshalb ist Tarifa bei Surfern und Kitern so beliebt. Nirgends in Europa findet man bessere Bedingungen als hier, an der „Costa de la Luz“, bzgl. Windrichtung, Wasser-Temperatur, Strandlänge und -breite sowie eine erstklassige Infrastruktur mit vielen liebevoll geführten Surfläden – und anderen Shops. Der ein oder andere findet hier sogar sein exotisches Custom Traumboard. 
Vieles dreht sich in dieser Stadt seit vielen Jahren um das Surfen und Kiten und damit ist der Fremdenverkehr zu der besten Einnahmequelle geworden. Der heimische Fischfang dümpelt auch hier vor sich hin und sichert mittlerweile dem kleinen Fischer keine Existenz mehr zu. Zu groß ist die Konkurrenz der riesigen Fischfangflotten. Man merkt auch hier die Überfischung der Ozeane.

Für die „normalen Badetouristen“ ist Tarifa zu unattraktiv. Bei heftigem Wind kommt ein tägliches Badevergnügen nicht richtig auf, die soeben gebaute Sandburg wird ständig in alle Richtungen verweht. Wahrscheinlich ist deshalb die Bucht von Tarifa durch Hotelburgen nicht verschandelt und wirkt bis auf ein paar vereinzelte Campingplätze, die kaum wahrgenommen werden, sehr natürlich.

Somit bleiben fast 10 km bester Sandstrand den Kitern und Surfern und ergeben damit paradiesische Zustände. Anfänger tun sich mit dem teilweise hohen Wellengang und einem fehlenden Stehrevier schwer. Hier ergibt sich, wenn auch abhängig von den Gezeiten, die Möglichkeit bei der Lagune beim Rio Jara das Kiten besser zu erlernen. Von der so genannten Landebahn oder vom Stadion sind es aber fast 20 Minuten Fußmarsch. Dafür ist man dort fast alleine. Strandspaziergängern aus Tarifa kommend wird spätestens am Rio Jara der Weg abgeschnitten und ein weiteres vorankommen am Strand wird damit bei Flut unmöglich.
Dennoch bietet diese Küste viele Kilometer zum Spazieren gehen und man ist dabei oft alleine. Einsame Jogger oder Reiter kreuzen dann den Weg und so manche Pärchen blicken ein- oder zweisam in die Ferne. Mit Blick auf den Juli wird auch hier alles voller und die Preise für Übernachtung und weiteres explodieren teilweise bis zum vierfachen. So fallen viele Spanier aus dem Inland an der Küste ein, um den teilweise unerträglichen Temperaturen in Sevilla oder Granada oder sonst wo zu entgehen. Man mag bezweifeln ob das Parkplatz suchen hier, wie überall um diese Jahreszeit Spaß bereitet.

Hier an der Küste hingegen, herrscht durch den stetigen Wind eine Durchschnittstemperatur von 25 Grad, was den Sommer um einiges erträglicher erscheinen lässt, allerdings sollte niemand die Stärke der Sonne unterschätzen. Trotz Wind ist hier eine Sonnencreme mit starkem Schutzfaktor durchaus angesagt und angebracht.

So manchem Besucher der nicht auf den Juli und August angewiesen ist, empfehlen wir natürlich eine andere Jahreszeit, um diese wunderschöne und interessante Ecke in Andalusien zu bereisen und zu erforschen. Wir werden Juli und August dann nicht mehr hier erleben. Und sind ehrlicherweise ganz froh darum. Diverse Ortsansässige mit denen wir hier gesprochen haben, meinten es sei furchtbar voll und in den unzähligen kleinen Shops und Boutiquen ist ein unvorstellbares Gedränge.

Dennoch haben wir schon wieder den Herbst vor Augen um hier eine weitere Zeit zu verweilen. Außer an den beiden benannten Monaten herrscht dann überall in und um Tarifa ein Überangebot an teilweise recht preiswerten Unterkünften. Beim Recherchieren im Web findet jeder bequem von zu Hause aus, was für ihn das richtige sein könnte. Viele auch deutschsprachige Seiten, ohne übertriebene Effekte informieren sehr gut über Tarifa. Wobei das teilweise unprofessionelle Erscheinungsbild mancher Webseiten sehr sympathisch ist und noch nicht der kommerziellen Werbeflut zum Opfer gefallen ist.

Einige Anbieter werben auch mit organisierten Surf- und Kitecamps. Wir denken, dass sich das mit ein bisschen Mühe ersparen lässt. Grundsätzlich ist hier jeder, ob vor Ort oder am Telefon immer nett und hilfsbereit oder weiss eine andere Nummer, die genau in diesem Fall weiter helfen kann. Einige günstige Fluglinien fliegen mehrmals täglich von vielen deutschen Flugplätzen zum nächsten Flugplatz nach Malaga oder nach Jerez.

Vom Flughafen aus ist es mit dem Leihwagen über die N-340 noch 1 1/2 – 2 Stunden nach Tarifa. Die 2 oder 3 kleinen Stückchen Autobahn mit der in Spanien üblichen Mautgebühr, kann man sich durchaus sparen. Auf dem Weg nach Tarifa bemerkt man schnell die unzähligen Bausünden an der Costa del Sol, die in den letzten drei Jahrzehnten fast alles verschandelt haben. Mit Blick auf das Landesinnere sieht der Besucher aber auch die verschneiten Berge der Sierra Nevada, welche nach den Alpen das zweithöchste Gebirge in Europa ist.

Nach Algeciras geht es dann noch mal die Berge hinauf. Hier wird man dann von unzähligen und zum Teil sehr antiquierten Windrädern aus der Anfangszeit der Windenergie empfangen. Mit einem imposanten Blick auf die großen Schiffe und Fähren in der Meerenge Richtung Afrika, überwindet der Besucher den letzten Hügel und erblickt die ersten Schaumkronen auf dem Atlantik.

Spätestens hier schlägt das Surfer Herz höher und auch die Kiter bekommen ein tolles Gefühl, welches sich bei der Hamburger Alster nicht unbedingt einstellt. Oftmals sieht man dann auch sogleich die ersten der unzähligen farbenfrohen Kites. Von hier aus stehen dem Fahrer dann zwei Abfahrten nach Tarifa zu Verfügung. Wobei es fast egal ist welche der Fahrer dann nimmt.

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